Energiemangellage, steigende Strompreise: Was erwartet uns?
Mit den fehlenden Produktionskapazitäten in Frankreich, dem Krieg in der Ukraine, den gestiegenen Preisen für Gas und Öl sowie durch den trockenen Sommer bedingten unterdurchschnittlichen Füllstand der Stauseen befinden wir uns in einer bisher noch nie dagewesenen und äusserst kritischen Ausgangslage.
Erfahren Sie hier, wie sich der Strompreis zusammensetzt, warum die Strompreise derzeit nie dagewesene Höhen erreichen und wie die Versorgungssicherheit für den kommenden Winter aussieht.
Die vier Komponenten des Strompreises
Der Strompreis in der Schweiz setzt sich aus vier Komponenten zusammen: Netznutzungstarif, Energietarif, Abgaben an das Gemeinwesen und einem Netzzuschlag. Der sich daraus ergebende Tarif wird von den Kundinnen und Kunden pro Kilowattstunde (kWh) bezahlt. Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt verbraucht pro Jahr rund 4500 kWh. Mit 1 kWh kann man etwa 100 Stunden Radio hören oder eine Stunde lang die Haare föhnen.
Netznutzungstarif - 45%
Preis für den Stromtransport über das Leitungsnetz vom Kraftwerk bis ins Haus. Er wird bestimmt durch die Kosten für das Netz, d. h. für den Bau sowie Unterhalt und Betrieb.
Energietarif - 38%
Preis für die gelieferte elektrische Energie. Diese Energie erzeugt der Netzbetreiber entweder mit eigenen Kraftwerken oder kauft sie von Lieferanten ein. Vor allem dieser Teil des Strompreises steigt aufgrund der angespannten Situation am Markt teilweise stark.
Abgaben an das Gemeinwesen - 7%
Kommunale und kantonale Abgaben und Gebühren. Darunter fallen z. B. Konzessionsabgaben oder lokale Energieabgaben.
Netzzuschlag - 11%
Bundesabgabe zur Förderung der erneuerbaren Energien, Stützung der Grosswasserkraft sowie für ökologische Sanierungen der Wasserkraft. Die Höhe der Abgabe wird jährlich vom Bundesrat festgelegt und liegt im Jahr 2023 wie im Vorjahr auf dem gesetzlichen Maximum von 2.3 Rp./kWh.
Wie entsteht der Preis für Energie in der Schweiz?
Der Schweizer Strommarkt ist teilliberalisiert – das bedeutet, dass nur Kundinnen und Kunden, die mehr als 100'000 kWh Strom pro Jahr verbrauchen, den Lieferanten frei wählen und wechseln dürfen. Die unter diesem Wert liegenden Verbraucherinnen und Verbraucher werden dabei an das Energieversorgungsunternehmen ihres Wohnortes angeschlossen (Grundversorgung).
Zwei wesentliche Einflussfaktoren bestimmen den Preis für Energie: Bei Energieversorgungsunternehmen, die über eigene Kraftwerke verfügen, wird er durch deren Gestehungskosten bestimmt. Für Energieversorger wie die RELL AG, die Energie von Lieferanten am Markt beziehen müssen, ist der Marktpreis massgebend. Dieser unterliegt stark den internationalen und europäischen Einflüssen. Energieversorger kaufen die Energie für ihre Kunden im Voraus. Sie holen dazu viele Angebote verschiedener Energielieferanten ein mit dem Ziel, den preiswertesten Schweizer Energielieferanten auszuwählen.
Die Strompreise in der Schweiz sind streng reguliert und werden von der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) überwacht. Jährlich per 31. August müssen sämtliche Schweizer Netzbetreiber ihre Stromtarife für das nächste Jahr der ElCom bekannt geben. Diese überprüft die Preise, die dann ab dem 1. Januar gelten. Die RELL AG muss sich selbstverständlich auch an die strengen Vorgaben der ElCom halten und wird von dieser überwacht.
Warum steigen derzeit die Strompreise in Europa und bei uns?
Die Preise an den Grosshandelsmärkten sind bereits 2021 europaweit unter anderem aufgrund stark gestiegener Kohlepreise, den hohen CO2-Preisen sowie der unterdurchschnittlichen Produktionsfähigkeit der französischen Kernkraftwerke stark angestiegen. Die hohen Gaspreise, die im Zuge des Kriegs in der Ukraine ausserordentlich stark anstiegen sind, haben die bereits angespannte Preissituation zusätzlich verschärft.
In der Schweiz wird grösstenteils Strom aus Wasserkraft produziert und das hauptsächlich im Sommer. So muss die Schweiz im Winter eine grosse Menge Strom einkaufen, während sie im Sommer Strom exportieren kann. Da der Schweizer Strommarkt eng mit dem europäischen Strommarkt verbunden ist, wirken sich Preiserhöhungen auch auf die Schweiz aus. Die Energieversorger können die Marktpreise aber nicht beeinflussen.
Elektrische Energie kann in grossen Mengen bis anhin nur in Speicherkraftwerken (Wasser) vorgehalten werden. Der grösste Anteil der jeweils aktuell verbrauchten Energie, wird direkt produziert. Das Stromnetz in Europa muss somit ständig die Produktion dem aktuellen Verbrauch anpassen. Der Schweizer Strommarkt ist an den europäischen gekoppelt, welcher wiederum auf dem Merit-Order Prinzips basiert. Das heisst, der Preis orientiert sich an den Kosten der zuletzt ans Netz genommenen Kraftwerke. Hierbei wird versucht die günstigsten Produzenten zuerst zu berücksichtigen, was wiederum impliziert, dass mit zunehmendem Bedarf die kostenintensiveren Kraftwerke bemüht werden und einhergehend der Preis steigt.
Energieversorger, die den Strom ihrer grundversorgten Endkundinnen und Endkunden mehrheitlich am Markt beschaffen, sind stark von der aktuellen Entwicklung betroffen. Aufgrund der gestiegenen Marktpreise haben sie nun höhere Energiebeschaffungskosten, die sie dann über höhere Tarife an die Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung weiterreichen müssen.
Steigen auch die Strompreise der RELL AG?
Wie sehr viele Verteilnetzbetreiber in der Schweiz deckt auch die RELL AG ihren Strombedarf zu 100% am Markt, da sie über keine eigenen Kraftwerke (ausgenommen einiger Photovoltaikanlagen) verfügt. Dabei besteht der Strommix seit 2015 zu 100% aus Schweizer Wasserkraft. Der Strompreis im Versorgungsgebiet der RELL AG steigt für 2023 um ungefähr 11%. Dieser Preisanstieg ist im schweizerischen Vergleich unterdurchschnittlich. Ein Haushalt mit einem Energieverbrauch von 4’500 Kilowattstunden muss für das kommende Jahr mit zusätzlichen Kosten von ca. CHF 100.- rechnen.
Wie sieht die mittelfristige Entwicklung des Strompreises aus?
Es ist schwierig, hierzu eine verlässliche Aussage zu treffen. Einerseits haben wir eine komplizierte und angespannte Situation mit dem anhaltenden Krieg in der Ukraine und der Möglichkeit eines Öl- und Gasembargos für Importe aus Russland. Die abgestellten Atom- und Kohlekraftwerke in Deutschland sowie die europäische Umweltpolitik, die immer mehr Abgaben erfordert, verschärfen die Lage zusätzlich. Auf der anderen Seite wird die Mobilität und auch das Heizen mit Wärmepumpen sukzessive elektrifiziert. Daher wird die Nachfrage nach Energie auch in Zukunft weiter steigen, während das Angebot derzeit abnimmt. Dies alles kann die Preise in den kommenden Jahren relativ hochhalten.
Was unterscheidet eine Strommangellage von einem Stromausfall?
Anders als bei einem Stromausfall (Blackout) ist bei einer Strommangellage Strom vorhanden, jedoch in beschränktem Umfang. Aufgrund unzureichender Erzeugungs-, Übertragungs- und/oder Importkapazitäten übersteigt die Stromnachfrage das verfügbare Angebot für mehrere Tage, Wochen oder Monate.
Was passiert im Falle einer Strommangellage?
Wenn freiwillige Sparappelle nicht ausreichen, aktiviert der Bund die «Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen» OSTRAL. In der Strommangellage werden dann behördlich angeordnete Massnahmen zur Verbrauchs- und Angebotslenkung ergriffen.
Verbrauchseinschränkungen
Der Bundesrat verbietet energieintensive Geräte, die nicht zwingend notwendig sind (Leuchtreklamen, mobile Heizgeräte, Saunen und Whirlpools, dekorative Beleuchtungen, etc.).
Kontingentierung von Grossverbrauchern
Die Grossverbraucher werden verpflichtet, ihren Stromkonsum um eine bestimmte Menge zu reduzieren, um Abschaltungen möglichst zu vermeiden. Die Schweizer Energieversorger haben im Herbst 2021 im Auftrag des Bundesamtes für Wirtschaftliche Landesversorgung und von OSTRAL alle Grossverbraucher spezifisch informiert.
Netzabschaltungen
Sollten die Sparmassnahmen nicht ausreichen, müssten als allerletztes Mittel zyklische Abschaltungen von Stromnetzen in zwei Stufen in Teilgebieten und die zentrale Steuerung des Schweizer Kraftwerkparks angeordnet werden. Systemrelevante Betriebe wie Spitäler usw. sind, wenn technisch möglich, davon ausgenommen.
Welchen Beitrag kann ich selbst leisten?
Die Entwicklungen in Europa und der Schweiz, speziell die fehlenden Produktionskapazitäten in Frankreich, der Ukrainekrieg sowie die klimatischen Veränderungen haben die Versorgungssituation verschärft. Für den Fall einer langandauernden Strommangellage sind Massnahmen vorbereitet, die beim Eintreten einer Krise umgesetzt werden müssen - dies auf Basis von Verordnungen, die vom Bundesrat in Kraft gesetzt werden. Diese Massnahmen betreffen die Steuerung der Stromproduktion und die Reduktion des Stromverbrauchs.
In der aktuell drohenden Mangellage müssen sich die vorbereiteten Massnahmen im Verlaufe des Winters je nach Entwicklung und Gegebenheiten stufenweise beweisen. Bereits heute initialisierte und umgesetzte Sparmassnahmen jeder und jedes Einzelnen tragen jedoch dazu bei, die jetzt in den Stauseen verbleibenden Kilowattstunden im Winter nutzen zu können. Jede Kilowattstunde, die eingespart wird, schont die Wasser- und Gasspeicher und kann dazu beitragen, eine Mangellage abzuwenden.
Energiesparen lohnt sich aber auch aus Kostengründen. Verschwenden auch Sie mit ein paar einfachen Tipps weniger Ressourcen und Geld und tragen so zu einer Entschärfung der Lage bei.
5 Top-Spartipps
1. Heizung runterdrehen
Die Raumtemperatur sollte nie mehr als 20°C betragen. Reduzieren Sie sie um 1°C, sparen Sie bis zu 10% Heizenergie.
2. Kochen mit Deckel
Beim Kochen verdampft ein Grossteil der Energie. Setzen Sie immer einen Deckel auf den Topf, der die Energie zurückhält. So wird auch das Essen schneller gar.
3. Lichter löschen
Brennendes Licht in einem leeren Raum verpufft unnötig Energie. Schalten Sie es aus, wenn Sie den Raum verlassen.
4. Geräte richtig abschalten
Computer, TV-Geräte und Kaffeemaschinen verbrauchen auch im Stand-by- und Schlafmodus Energie. Schalten Sie diese Geräte daher immer ganz aus.
5. Duschen statt baden
Sparen Sie viel Warmwasser, indem Sie nur kurz und nicht zu heiss duschen. Eine Wassertemperatur um 37°C ist für den Körper und fürs Energiesparen ideal.
Noch mehr Informationen, wie und wo sich am meisten Energie sparen lässt, sowie zur aktuellen Energie-Lage der Schweiz finden Sie auf der Website nicht-verschwenden.ch.
Spartipps für Privathaushalte und Unternehmen
Spartipps für Privathaushalte: Energie sparen im Haushalt? So geht’s!
Spartipps für Unternehmen: Energie sparen in Ihrem Unternehmen – das können Sie tun.